Völlig übertrieben, oder?

Hallo, geschätzte Leser und Leserinnen!

Heute morgen habe ich schon einige Freunde in den April geschickt. Jedesmal zeigt sich bei diesen, irgendwie auch immer ein bisschen fiesen, Aprilscherzen häufig die Schönheit derer, die reagieren. Ich habe ein Foto des grössten Hundes der Welt (schätze mal 1,50 m gross) herausgesucht und geschrieben, ich müsse ihn zu den nächsten Sketchtreffen mitbringen. „Er ist total lieb! Alle einverstanden?“

Mir hätten alle Haare zu Berge gestanden, aber nein: Eine Zeichnerin hat gleich gefragt, ob er still halte, weil sie ihn gerne zeichnen würde, eine schrieb, sie freut sich total, ihn kennenzulernen. Und die Enttäuschung war groß, als alle merkten, dass es ein Aprilscherz war.

Dieser Scherz hat mich zum heutigen Thema geführt, der Übertreibung im Urban Sketching.

Übertreibung fügt ein wenig Drama und Dynamik zu unseren Bildern hinzu. In dieser Zeichnung habe ich alles, das näher an mir ist, größer gezeichnet, die Schuhe, Beine und Hände. Den Kopf habe ich bewusst klein gehalten, da er weiter entfernt ist.

Wenn Ihr es einmal versuchen möchtet, setzt Euch vor einen Spiegel und lehnt Euch zurück oder bittet jemanden, ein Bild von Euch zu machen. Ihr werdet sehen, dass ein Foto diese übertriebenen Verhältnisse schon gut wiedergibt.

Und setzt Euer Bild gerne in die Kommentarecke. Würde mich freuen!

Auch in diesem Sketch habe ich mit Übertreibung gearbeitet. Alle Dächer sind ein wenig steiler als in Wirklichkeit, alles ein bisschen windschief und der Turm gebogen, fast wie angetrunken. Es verleiht dem Bild einfach mehr Charakter.

Diese sehr schnelle Skizze einer Baustelle habe ich letztens im Regen gezeichnet. Schnelles Urban Sketching. Die Person möchte bei diesem Wetter nichts als nach Hause und schreitet weit aus. Die Diagonale wirkt dynamisch und wird verstärkt durch den Rhythmus der roten Bauzaunfelder.

Wenn Musikdozenten das Klavierspiel ihrer Schüler beseelen möchten, arbeiten sie mit Bildern, z..B. mit der Vorstellung: „Jemand, den Du liebst, geht achtlos an Dir vorbei oder eine Glocke in einem Kirchturm in Sevilla läutet schicksalhaft.“ Wie aber kann ich meine eigene Innerlichkeit beim Zeichnen ausdrücken?

Ein Gebäude als betrunken malen oder eine Landschaft als Neonreklame..mit dem intensiven Schauen steigen Bilder auf, die sich in Farbe oder Form ausdrücken.

Viele Sketcher überspringen diese Zeit des Vertrautwerdens, des Verbindens mit dem Objekt und zeichnen mit der Idee, es realistisch gut genug darstellen zu wollen. Mit der Angst, zeichnerisch zu versagen.

Befreit Euch davon. Was löst das Objekt in Euch aus? Wirkt es schäbig, freundlich, hat es schon viele Menschen glücklich gemacht, wie ist sein Charakter?

Wie ist das Licht, singen Vögel, ist es ein extrem heißer Tag?

Findet ein Wort für Euren Eindruck und dann beginnt zu zeichnen!

Eure Bilder werden persönlicher werden.

Habe die Ehre!

Stefanie

Totally exaggerated, right?

Hello, dear readers!

This morning I already sent a few friends into April. Every time, with these somehow always a bit nasty April fools‘ jokes, the beauty and friendliness of those who react often reveals itself. I picked out a photo of the world’s biggest dog (I’d guess 1,50m tall) and wrote that I had to bring him to our next sketch meeting. „He’s really sweet! Everyone agree?“

My hair would have stood to end, but no: One artist immediately asked, if he would stay still because she would like to draw him, one wrote, that she was really happy to meet him. And the disappointment was great, when everyone realized it was an April’s fool joke.

This joke led me to today’s topic: exaggeration in urban sketching.

Exaggeration adds a bit of drama and dynamism to our images. In the drawing above I drew everything that’s closer to me larger: the shoes, legs and hands. I deliberately kept the head small because it’s further away.

If you want to try it yourself, sit in front of a mirror and lean back, or ask someone to take a picture of you. You’ll see that a photo does a good job of capturing these exaggerated proportions.

And feel free to post your picture in the comments section. I’d love to see it.

I also worked with exaggeration in this sketch. All the roofs are little steeper than they actually are, everything is a bit crooked, and the tower is bent, almost as if drunk. It simply gives the picture more character.

I drew this very quick sketch of a construction site recently in the rain. Quick urban sketching. In this weather, the person wants nothing more than to go home and strides out. The diagonal appears dynamic and is reinforced by the rhythm of the red construction fence panels. Can you see that the picture swings a little due to the curve?

When music teachers want to enliven their student’s piano playing, they work with images, e.g. with the idea: „Someone you love walks past you carelessly, or a bell in a church tower in Seville rings fatefully.“

But how can I express my own inner self when drawing?

Painting a building as drunk or a landscape as a neon sign…with intense looking, images arise that express themselves in color or form.

Many sketchers skip this period of becoming familiar, of connecting with the object, and draw with the idea of wanting to depict it realistically well enough. With the fear of failing as a drawer.

Free yourself from it. What does the object trigger in you? Does it seem shabby, friendly, has it made many people happy, what is its character like?

How is the light, are there birds singing, is it an extremely hot day?

Find words for your impression!

Your pictures will become more personal and interesting.

It’s my pleasure!

Stefanie

4 Antworten zu „Völlig übertrieben, oder?”.

  1. Großartiger Blog Artikel!! Intensiv schauen, welche Empfindungen löst es aus usw. Das beschäftigt mich derzeit auch und ich suche nach Möglichkeiten es zeichnerisch umzusetzen!

    1. Lieber Christoph, danke für Deinen schönen Kommentar! Ich freue mich sehr, dass er Dir gefällt. Ja, mich beschäftigt dieses Thema auch sehr, vor allem, wenn ich merke, ich bin mal wieder in die ‚Naturalismus‘-Falle getappt. 😀 Liebe Grüße

  2. Liebe Steffi, ja, das war ein toller 1.April von dir:) Ich hatte gerade noch deinen Scherz von 2024 meinem Mann erzählt ( Felix in Koblenz) und war gespannt auf deine Idee heute und: richtig klasse! Ich dachte, ich hätte eine neue Hundebesitzerin meine Freundin nennen können:)

    und ja, auch ich versuche realitätsnah abzuzeichnen aber nehme jetzt deine Anregung auf und übertreibe zum Gewinn des Bildes! Aber auch dazu muss man sich richtig überwinden:) ❤️ lichen Dank für die tolle Inspiration!

    1. Liebe Claudia,
      ja, Du hast absolut recht. Man braucht Mut dazu und muss auch das Risiko eingehen, mal daneben zu liegen. Diese Energie macht das Bild aber oft gerade zu etwas Besonderem und ich zähle Dich für mich zu den energetischen Zeichnerinnen. ❤️

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