Urban Sketch-Kleine Anleitung zum Aufbau

Bestimmt kennt Ihr das auch…Ihr sitzt vor Eurem Motiv und eine Fülle von Eindrücken prasselt auf Euch ein? Wo beginnen? Was aussuchen? Was weglassen?

Oft schon habe ich gedacht: „Wie gerne würde ich in den Kopf eines bestimmten Künstlers gucken!“ Ich weiss nicht, ob Ihr auch einen Blick in meinen haben möchtet, aber, wenn ja, hier ist die Gelegenheit! 🙂

Womit ich beginne, hängt von dem Bild ab, das ich vor mir habe.

Mit diesem Referenzfoto von Al-Chubar in Saudi-Arabien rief Reham Ali, die wunderbare Urban Sketcherin aus Ägypten, uns auf Instagram zu einer Challenge auf. Ihr wisst, ein Urban Sketch wird immer vor Ort gezeichnet, aber anhand dieses Fotos kann ich Euch den Aufbau gut erklären.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters und fliesst in unseren Urban Sketch

In meinen Augen ist die intensive Beobachtung meines Objektes besonders wichtig. Ich sitze lange vor meinem Motiv und schaue. Was löst das Motiv in mir aus? Was beeindruckt mich? Ist ein Bruch im Bild, z.B. Dixie- Häuschen vor Schmuckhaus? Wie ist das Licht? Wie ist die Lokalfarbe? Ich sehe häufig Zeichner, die sich vor Ihr ‚Bild‘ setzen, den Stift zücken und sofort die erste Linie ziehen. Tut das nicht! Entwickelt eine Kultur des genauen Observierens und fühlt in Euch hinein, um Resonanz zu erzeugen und zu finden! Was lässt Euer Herz höher schlagen? Dies wird auch das Herz Eures Gegenüber berühren. Zeichnen ist Kommunikation.

Betrachte ich nun mein Foto, sehe ich als erstes das umwerfende Grün und dann die weiße Hauswand, die sich gegen den Himmel abhebt. Ah, Erinnerungen an weiße quadratische Gebäude auf Kreta, schwimmend im Himmelblau, majestätische Patinakuppeln in Venedig, Kutschen in Vom Winde verweht fluten durch mein Gehirn. Was durchflutet Euren Kopf, wenn Ihr das Bild anschaut?

Genau das wird es später sein, das Eure ganz eigene Persönlichkeit zeigen wird.

Das ganze Gehüttel vorne blende ich eher aus, ausser der Kutsche. Zuviele Details ermüden das Auge des Betrachters, deshalb werde ich das auf jeden Fall reduzieren.

Was ich noch sehe, ist, dass ich es hier mit einer 3-Punkt-Perspektive zu tun habe. Der Fotograf(*in) hat die Kamera nach oben gedreht, in den Himmel hinein fotografiert. Die Hausteile verjüngen sich nach oben. Das hat einen schön dynamischen Effekt, der Aufmerksamkeit erregt, weil das Haus aussieht, als würde es kippen. Werde ich auf jeden Fall ausarbeiten.

Ich möchte Menschen ins Bild bringen. Architektur ohne Menschen wirkt bedrückend auf mich. Die Kutsche bietet sich natürlich an, eine reduzierte Version von Scarlett o`Hara hinein zu setzen.

Nun habe ich die wichtigsten Botschaften im Sinn und beginne mit Negativmalerei, um die Silhouette des Hauses schön herauszuheben. Ich arbeite mit Ultramarin und setze bewusst mehr Farbpigmente an die Hauskanten.

Urban Sketch-das Zeichnen beginnt

Jetzt habe ich schon eine Orientierung und beginne mit meinem Sailor Fude Pen mit gebogener Feder zu zeichnen. Ich beginne links oben. So vermeide ich es, mit meiner Hand noch feuchte Linien zu verschmieren. Das Verschmieren nutze ich allerdings ganz bewusst, wenn ich schon jetzt Dunkelheiten erzeugen möchte. Wenn ich die Linie gesetzt habe, ziehe ich mit der Kante meines Daumens die noch feuchte Tinte nach unten.

Die Dunkelheiten, die Ihr schon beim Zeichnen gesetzt habt, müsst Ihr später nicht mehr aquarellieren.

Wie immer arbeite ich im sogenannten Baukastensystem. Das heisst, ich setze Linie an Linie und arbeite mich von einem Punkt aus nach aussen. So kann ich ständig entscheiden, was das Bild noch braucht, in welche Richtung ich weiter ausarbeiten möchte. Ich entscheide mich für die Komposition in einem Prozess.

Und ich kann, je nach Zeit, die ich habe, nur einen kleinen Urban Sketch oder ein Panorama zeichnen.

Die Perspektive ist in diesem Fall eine Herausforderung. Ich empfehle, auf alle Neigungen einen Stift zu legen und ihn in genau diesem Winkel aufs Blatt zu bewegen. Im Prinzip kann man mit diesem System ohne perspektivisches Wissen arbeiten.

Die Abstände und Höhe der Balkone, der Fenster, der Türen, dies alles messe ich während des Zeichnens immer wieder aus.

Zuletzt zeichne ich meine charmanten Personen, die mich glücklich machen, weil sie immer zu mir sprechen, wenn ich das Bild später anschaue.

Urban Sketch-das Aquarellieren

Wenn die Zeichnung steht, kommt das größte Vergnügen, das Aquarellieren. Ich beginne mit den Schatten und Dunkelheiten, eine Technik, die ich vor vielen Jahren von Reham Ali gelernt habe. Dazu mische ich Ultramarin und Sienna gebrannt. Für die grünen Partien mische ich auf meiner Palette Cobalt Teal (ein deckendes Türkis), ein dunkles Grün, ein kaltes Gelb und Lichten Ocker, so, dass sich verschiedene Grüntöne ergeben. Ich variiere die Farben während des Auftrages und erreiche so schon eine schöne Textur. Wenn diese Grundierung getrocknet ist, setze ich hier und da ein dunkles Grün unter die Vorsprünge der Balkone.

Variationen in Linie und Farbe machen ein Bild für den Betrachter interessant.

Der Innenraum der Kutsche ist der dunkelste Teil des Bildes. Hier mische ich Ultramarin mit Sienna gebrannt mit viel Farbe und wenig Wasser. Wie Ihr seht, benutze ich eine begrenzte Farbpalette, wodurch Harmonie in einem Aquarell entsteht.

Da ist es! Über die Schatten, die ich gesetzt habe, werde ich bald einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Wie mischt Ihr Eure Grüntöne? Würde mich freuen, von Euch zu hören.

Habe die Ehre!

Eure Stefanie

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